Der Herbst verzaubert uns wieder mit seinem bunten Farbenspiel. Als ich neulich unter einer prächtigen Buche stand und zusah, wie der Wind die goldene Blätter sachte von den Zweigen in die Lüfte hob, sie eine Weile mit den Winden tanzten und schliesslich sanft zu Boden schwebten, wurde mir klar: Die Natur führt uns perfekt vor, was es bedeutet, loszulassen. Doch warum fällt uns Menschen das oft so schwer?
Die Weisheit der Bäume verstehen
Bäume machen es uns vor. Jedes Jahr lassen sie mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit los.
Warum lassen Bäume eigentlich ihre Blätter fallen?
Die Antwort ist faszinierender, als man denkt:
- Sie sparen Energie, denn die Fotosynthese funktioniert bei Kälte und wenig Licht kaum noch
- Durch die Blätter würde zu viel Wasser verdunsten
- Die Blätter könnten unter der Schneelast Äste abbrechen lassen
- Sie recyceln wichtige Nährstoffe aus den Blättern, bevor sie fallen
- Die Bäume gehen in eine Art „Winterschlaf“
Was Bäume uns über Transformation lehren
Im Winter passiert etwas Bemerkenswertes: Die Bäume nutzen ihre Ruhephase für:
- Sie fahren ihren Stoffwechsel stark herunter
- Sie schützen sich vor dem Einfrieren:
- Ihre Zellen produzieren eine Art „Frostschutzmittel“
- Sie ziehen Wasser aus den Zellen, damit es beim Gefrieren nicht platzt
- Die Rinde schützt sie zusätzlich
- Sie nutzen die Winterruhe für:
- Heilung von Verletzungen
- Vorbereitung der Knospen fürs Frühjahr
- Speicherung von Nährstoffen in Wurzeln und Stamm
Übrigens: Nicht alle Bäume werfen ihre Blätter ab – Nadelbäume zum Beispiel behalten ihre „Blätter“ (Nadeln), weil diese besonders gut an den Winter angepasst sind. Sie sind mit einer Wachsschicht überzogen und verlieren weniger Wasser.
Der Kreislauf der Natur ist also perfekt durchdacht: Was der Baum im Herbst loslässt, nährt den Boden und hilft ihm im nächsten Frühjahr wieder zu wachsen.
Warum uns das Loslassen so schwer fällt
Anders als Bäume ringen wir Menschen oft mit dem Loslassen. Die Gründe dafür sind vielschichtig:
- Vertrautheit und Sicherheit: Du hältst an Dingen, Menschen oder Situationen fest, weil sie dir ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle geben. Das Bekannte ist vorhersehbar, während Veränderungen Unsicherheit mit sich bringen.
- Emotionale Bindung: Wenn du Zeit, Energie und Gefühle in etwas investiert hast, entwickelst du eine starke emotionale Verbindung. Das können Beziehungen sein, aber auch materielle Dinge oder bestimmte Gewohnheiten.
- Identifikation: Manchmal werden Dinge Teil deiner Identität. Du definierst dich über eine bestimmte Rolle, einen Status oder Besitz. Loszulassen bedeutet dann auch, einen Teil deines Selbstbildes zu verändern.
- Angst vor dem Unbekannten: Dein Gehirn ist darauf programmiert, Risiken zu vermeiden. Auch wenn eine Situation nicht ideal ist, erscheint sie oft sicherer als die ungewisse Alternative.
- Hoffnung auf Veränderung: Gerade in schwierigen Beziehungen oder Situationen hältst du möglicherweise fest, weil du hoffst, dass sich doch noch alles zum Besseren wendet.
Die Natur zeigt uns: Loslassen schafft Raum für Neues
Was können wir loslassen?
Hier einige Bereiche, die du überprüfen kannst:
Materielles:
- Gegenstände, die du nicht mehr brauchst
- Kleidung, die du nicht mehr trägst
- Alte Erinnerungsstücke, die nur noch Staub sammeln
- Dinge, die du „für später“ aufbewahrst
Beziehungen:
- Toxische Freundschaften
- Beziehungen, die nicht mehr authentisch sind
- Menschen, die dir Energie rauben
- Oberflächliche Kontakte, die dich nicht erfüllen
Emotionales:
- Alte Verletzungen und Kränkungen
- Groll und Verbitterung
- Schuldgefühle
- Negative Selbstbilder
- Unrealistische Erwartungen
Gewohnheiten:
- Ungesunde Verhaltensmuster
- Schädliche Routinen
- Zeitfresser
- Perfektionismus
Gedankenmuster:
- Selbstzweifel
- Überholte Glaubenssätze
- „Das macht man so“-Denken
- Vergleiche mit anderen
- Zu hohe Ansprüche
Berufliches:
- Jobs, die dich unglücklich machen
- Projekte ohne Perspektive
- Übernommene Verpflichtungen
- Rollen, die dir nicht mehr entsprechen
Fazit: Der natürliche Kreislauf des Loslassens
Wie die Bäume dürfen auch wir uns erlauben:
- Unnötiges loszulassen
- In die Ruhe zu gehen
- Uns auf Neues vorzubereiten
- Innerlich zu wachsen
Nicht alles muss für immer gehen. Manchmal reicht es, Dinge neu zu ordnen oder ihnen einen anderen Platz zu geben. Die Natur zeigt uns: Was wir loslassen, nährt den Boden für neues Wachstum.